DORA vs. ITIL: EU-Verordnung trifft IT-Best Practice

DORA vs. ITIL: EU-Verordnung trifft IT-Best Practice

DORA vs. ITIL: EU-Verordnung trifft IT-Best Practice

In einer digital vernetzten Finanzwelt sind IT-Ausfälle keine Ausnahme, sondern kalkulierbare Risiken. Zwei bekannte Systeme greifen dieses Thema auf – die regulatorische Seite mit der EU-Verordnung DORA (2022/2554) und die operationale Seite mit dem ITIL-Framework für IT Service Management.

Doch wie passen diese beiden Ansätze zusammen? Kann ITIL helfen, DORA umzusetzen – oder stehen sich Gesetz und Framework im Weg?

Dieser Beitrag liefert eine praxisorientierte, kritische Analyse – und zeigt, wie Unternehmen aus beiden Welten profitieren können.


Was ist DORA – und was ist ITIL?

DORA (Digital Operational Resilience Act)

DORA ist seit Januar 2023 in Kraft und wird ab 2025 für regulierte Finanzunternehmen verbindlich. Sie schafft einheitliche Anforderungen an die digitale Belastbarkeit (Resilienz) – also an Systeme, Prozesse, Meldungen, Tests und Verträge.

Pflichtbestandteile u. a.:

  • Meldepflichten bei IKT-Vorfällen

  • Notfall- & Wiederherstellungspläne (BCP, RTO, RPO)

  • Vertragliche Absicherung kritischer Drittanbieter

  • Cyber-Resilienztests (z. B. TLPT)

  • Governance- & Auditpflichten

ITIL (Information Technology Infrastructure Library)

ITIL ist ein global anerkanntes Framework zur Gestaltung von IT-Serviceprozessen. Es ist nicht verpflichtend, aber in vielen Organisationen Standard – insbesondere im Betrieb kritischer Systeme.

Schwerpunkte von ITIL v4:

  • Wertorientierte IT-Services

  • Prozesse wie Incident-, Problem- & Change-Management

  • Rollenmodelle & Verantwortlichkeiten (RACI)

  • Integration in Unternehmensziele


Vergleich im Überblick: DORA vs. ITIL

Thema DORA (Verordnung) ITIL (Framework)
Rechtscharakter EU-weit verbindlich Freiwilliger Standard
Geltungsbereich Finanzsektor + kritische IKT-Dienstleister Alle Branchen
Meldung von Vorfällen Pflicht binnen 4h / 3d / 1 Monat Intern geregelt, keine Fristen
Resilienztests Pflicht für kritische Institute (z. B. TLPT) empfohlen, nicht verpflichtend
Governance & Haftung Vorstandshaftung, Auditpflicht Empfehlungen, keine rechtliche Pflicht
Drittanbietersteuerung vorgeschriebene Vertragsklauseln, Auditrechte Servicekontinuität, aber flexibel
Audits durch Aufsichtsbehörden intern oder freiwillig extern
Update-Zyklus durch EU & ESAs geregelt Community-/Expertenbasiert
Anpassbarkeit begrenzt durch Gesetz & Proportionalität hoch flexibel, skalierbar

Wo sich DORA & ITIL ergänzen

ITIL ist kein Ersatz für DORA – aber ein Werkzeugkasten zur Umsetzung vieler DORA-Vorgaben. Beispiele:

  • Meldestrukturen (DORA) → Incident & Escalation Management (ITIL)

  • Risikoanalysen (DORA) → Continual Improvement & Problem-Management (ITIL)

  • Drittanbietersteuerung (DORA) → Supplier Management & CMDB (ITIL)

  • Wiederanlauf & BCP (DORA) → Service Continuity & Recovery Planning (ITIL)

Wer DORA umsetzen will, findet in ITIL eine strukturierte Antwort auf das „Wie“. Der Schlüssel liegt in der Zuordnung von Pflichten zu Prozessen.


Stolpersteine & Unterschiede

Trotz vieler Überschneidungen gibt es kritische Differenzen:

  • Verbindlichkeit: ITIL allein erfüllt keine DORA-Vorgabe. Fristen und Inhalte sind gesetzlich bindend.

  • Dokumentationstiefe: DORA verlangt revisionssichere, auditierbare Nachweise. ITIL lässt Freiraum.

  • Rollenverständnis: DORA macht die Geschäftsführung haftbar – ITIL lässt Verantwortung oft im Betrieb.

Risiko in der Praxis: Wenn Unternehmen nur mit ITIL-Logik arbeiten, ohne DORA-relevante Prozesse formell zu dokumentieren, drohen Sanktionen.


Umsetzung in der Praxis – mit beiden Systemen

Ein Zahlungsinstitut wird Opfer eines Cyberangriffs. So greift die Logik beider Systeme:

  • DORA-Sicht:

    • Vorfall-Kategorisierung & Sofortmeldung an Aufsicht (4h)

    • Zwischenbericht mit Ursachenanalyse (3 Tage)

    • Abschlussbericht mit Lessons Learned (30 Tage)

  • ITIL-Sicht:

    • Incident-Erfassung und Eskalation nach SLA

    • Problem-Management zur Ursachenanalyse

    • Change-Prozess zur Behebung und Prävention

Nur im Zusammenspiel wird aus dem Vorfall ein kontrollierter, regelkonformer und nachhaltiger Prozess.


Strategien für Unternehmen

  1. Pflichten zuordnen:

    • Erstelle eine DORA-Checkliste und mappe diese auf bestehende ITIL-Prozesse
  2. Tool-Landschaft anpassen:

    • SIEM, CMDB, GRC-Systeme verknüpfen für Meldungen, Nachweise, Auditdokumentation
  3. Governance klären:

    • Rollen wie DORA-Officer, Compliance-Verantwortliche und ITSM-Owner formell definieren
  4. Meldeschwellen simulieren:

    • Probetests & Penetration Testing einführen (ggf. nach TIBER-EU)
  5. Dokumentation erhöhen:

    • Logs, Entscheidungsgrundlagen & Eskalationen nachvollziehbar erfassen

Fazit: DORA ist Pflicht, ITIL ist Chance

DORA zwingt zur Resilienz – ITIL hilft beim operativen Aufbau. Beide zusammen ergeben ein stabiles Fundament für ein auditfestes, krisenresistentes und regulatorisch abgesichertes IT-Management.

Wer nur DORA erfüllt, aber keine gelebten Prozesse hat, riskiert Lücken. Wer nur ITIL einsetzt, ohne regulatorische Anforderungen zu erfüllen, gefährdet Zulassungen und Reputation.

Empfehlung: Nutze ITIL bewusst als Werkzeug zur DORA-Umsetzung – und nicht als Alternative.